Sie sind in einer schönen, warmherzigen Beziehung mit einem anderen Menschen. Aber das gemeinsame sexuelle Feuer brennt, wenn überhaupt, auf kleinster Flamme? Liebe, Nähe, Vertrautheit und Alltag mit einer anderen Person zu teilen, bedeutet in den meisten Fällen auch die Abwesenheit oder das Schwinden von sexuellem Verlangen. Das sind zunächst natürliche Prozesse in einem Beziehungsleben, welche die emotionale Bindung der Partner stärken und die einander Sicherheit und Vertrautheit schenken. Viele Menschen trauern jedoch den rauschhaften Tagen des Verliebtseins nach und so sehr sie die neu erwachsene Vertrautheit auch schätzen, sehnen sie sich insgeheim doch nach mehr und wilder Leidenschaft. Ist dieses Spiel also verloren, fragen Sie sich? Nein, das Spiel ist nicht verloren, wenn Sie das erotische Matt nicht einfach hinnehmen. Es liegt in Ihren Händen, denn Sie können Ihrem Liebesleben oberste Priorität geben und es nicht einfach nur als gegeben betrachten. Es ist ein Gesetz: Die Energie fließt immer zu der Sache, der wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Wenn Sie Ihrem sexuellen Miteinander diese Aufmerksamkeit schenken, ist der erste Schritt getan.
Was das erotische Feuer in einer Liebesbeziehung betrifft, verrate ich hier nun eine Formel, die so simpel klingt, es aber in sich hat:
Anziehung + Hindernisse = Erregung
Die Formel stammt von Jack Morin, einem amerikanischen Sexualwissenschaftler, der eingehend zu dieser Thematik geforscht hat. Er macht damit deutlich, dass sich die meisten Paare zwar ein harmonisches und romantisches Leben wünschen und Kuschelsex durchaus zu schätzen wissen, sexuelle Erregung jedoch vor allem durch Hindernisse und die „dunkle Seite der Lust“ angeheizt wird. Für romantische Lust inklusive heißem Sex braucht es schlicht und einfach eine gute Portion Aufregung und Spannung. Auch die elektrisierende Wirkung einer heimlichen Affäre lässt sich mit dieser Formel wunderbar nachvollziehen.
Gegenseitige Anziehung bzw. ein Mindestmaß an sexuellem Verlangen nach dem Partner sollte vorhanden sein, damit die Formel greifen kann. Denn ohne sexuelles Begehren würde die Formel ins Leere laufen. Wo kein Funken, da auch kein Feuer.
Die Hindernisse lassen sich nach Morin in 4 Kategorien einteilen. Diese müssen in gewisser Ausprägung vorhanden sein, da sich ansonsten das Empfinden von Erregung in der gegenseitigen Anziehung nicht entfalten kann.
A Sehnsucht und Antizipation
Sehnsucht bildet nach Morin die Grundlage für die Kombination von romantischer Liebe und Begierde. Das Prinzip hinter der Sehnsucht ist einfach und manchmal schwer zu akzeptieren: Wir wollen das, was wir gerade nicht haben (können). Die Vorfreude, die wir mit einer sexuellen Begegnung antizipieren, turnt an.
B Verbote brechen
Wenn dem Ganzen zudem eine verbotene oder verruchte Note innewohnt (Verbote brechen), kann das einen sehr köstlichen Aphrodisiakum-Cocktail ergeben: ob Sex an „verbotenen“ Orten oder mit ungewöhnlichen Mitteln. Hier geht es um das Durchbrechen von alltäglichen Normen.
C Spiel mit Macht
Auch das Spiel mit Macht bildet nach Morin einen Baustein für ein prickelndes Feuer. Manche Menschen haben bereits einen intuitiven Zugang zu dieser Komponente und wissen, wie sie den Partner entweder mit einem dominanten Gebaren oder mit devoter Hingabe erregen können. Auf jeden Fall kann das Spiel mit Macht ein ziemlicher Anheizer sein.
D Überwindung von Ambivalenz
Damit verbunden ist auch der vierte Aspekt, die Überwindung von Ambivalenz. Denn vielleicht stört mich auf der partnerschaftlichen Alltagsebene ein dominantes oder devotes Verhalten, aber im sexuellen Beisammensein wirkt es reizvoll. Oder ein sexueller Wunsch stimmt nicht mit meinen oder den sozialen Werten meines Umfeldes überein und taucht dennoch immer wieder in meinen Fantasien auf.
Und im Prinzip schließt sich hier wieder der Kreis zur Sehnsucht, denn das Gefühl von Sehnsucht in einer Paarbeziehung aufrecht zu erhalten, bedeutet eben auch die Ambivalenzen bzw. Paradoxien, die mit dem Spiel von Nähe und Distanz, von vertrauter Intimität und wilder Leidenschaft verbunden sind, anzuerkennen.
Denn Intimität geht mit dem Bedürfnis einher, jedes Detail über den anderen erfahren zu wollen. Leidenschaftliche Gefühle sind jedoch nur möglich, wenn wir unseren Partner als eine Person schätzen, in dem Bewusstsein, dass wir sie niemals vollständig erkennen können. Es gibt Menschen, die beschwören in einer Beziehung die absolute Transparenz. Sie verkennen die Dimension des Geheimnisvollen für eine erotische Liebe. Dabei meint Geheimnis hier nicht bewusste Geheimhaltung oder Täuschung. Nach Morin macht es einen großen Unterschied, ob ich etwas vor meinem Partner bewusst geheim halte, was die intime Beziehung verletzen könnte – oder ob wir einander Privatsphäre zugestehen und im Zuge dessen vereinbarte private Bereiche im persönlichen und erotischen Leben des anderen respektieren und ja, ehren.
Es tut der sexuellen Leidenschaft gut, wenn sich die Partner ein bisschen geheimnisvoll und unergründlich bleiben oder, wie es eine Dozentin von mir zu sagen pflegte: wenn wir uns dem Partner auch nach Jahren des Zusammenseins noch als träumbar zeigen können. Wenn wir uns zugleich mit den erotischen Prinzipien nach Morin vertraut machen, hat das Liebesfeuer eine Chance neu zu entflammen.
Meine Tipps:
- Pflegen Sie Ihr erotisches Miteinander, wie Sie auch andere Dinge pflegen und hegen.
- Schon kleinste sexuelle Spiele in der Öffentlichkeit können sich verrucht und sexy anfühlen: Legen Sie beispielsweise die Hand absichtlich auf die Genitalien Ihres Partners, vielleicht in einem dunklen Kino – und lassen Sie sie einfach dort ruhen…
- Treffen Sie Beziehungsvereinbarungen und geben Sie einander Raum. Machen Sie „Privatsphäre vs. Geheimnis“ zum Thema.
- Besuchen Sie gemeinsam einen erotischen Workshop oder einen Club mit sexpositiven Räumen.
- Erforschen Sie Ihr erotisches Wesen. Was ist Ihr „erotisches Kernthema“? Wie können Sie das in Ihre Beziehung einbringen?